Aktien-Angst: Sind Aktien böse oder nur was für Profis?

Ich habe hier schon mehrere Hundert Beiträge zum Thema „Aktien und Börse“ geschrieben. So gut wie alle diese Artikel richten sich aber vornehmlich an Leute, die sich bereits für die Aktien-Geldanlage interessieren.

Beim folgenden Beitrag ist das anders. Denn er richtet sich an Anleger, die skeptisch oder voreingenommen gegenüber einer Kapitalanlage an der Börse sind. Es war höchste Zeit mal so einen Artikel zu schreiben.

Schließlich sind Aktieninvestitionen leider weiterhin ziemlich unbeliebt in Deutschland, wo Geld viel lieber auf Sparkonten geparkt wird. In zahlreichen anderen Ländern ist das anders, dort sind Aktien vielerorts eine deutlich populärere Form der Geldanlage.

Fakt ist, dass insbesondere hierzulande über die Aktienanlage einiges an Unwissenheit, Missverständnisse und viele Vorurteile herrschen (ein gewichtiger Grund dafür ist sicherlich, dass in Schulen leider kaum Geldanlage-Wissen vermittelt wurde und wird). Zudem wird das Thema von Skeptikern oft einseitig betrachtet (es wird nur die „böse Seite“ der Börse gesehen anstatt auch nach einer „guten Seite“ zu suchen).

Die große Frage lautet also: Woran liegt diese Aktien-Unlust bzw. Börsenangst der Deutschen? Und wie kann man Kritiker davon überzeugen, dass Aktien besser sind als ihr Ruf und dass man schon mit wenigen „Tricks“ ohne großen Aufwand eine chancenreiche Aktienanlage mit überschaubarem Risiko auf die Beine stellen kann?

Auf diese Problematik werde ich jetzt eingehen und versuchen, etwas Aufklärungsarbeit zu leisten.

9 Gründe, warum Aktien so einen schlechten Stand in Deutschland haben

1. Traumatische Erfahrungen mit der T-Aktie:

Die Telekom-Aktie ging im November 1996 mit riesigem Medien-Getöse an die Börse (TV-Werbung mit Manfred Krug etc.). Viele börsenunerfahrene Anleger stiegen damals in das als „Volksaktie“ angepriesene Wertpapier (Definition) ein und rechneten fest mit steigenden Kursen. In den ersten gut 3 Jahren nach dem Börsengang ver-5-fachte die Aktie auch ihren Wert. Alle Aktionäre schienen glücklich.

Doch Anfang 2000 begann der große Absturz: Die T-Aktie verlor bis Ende September 2002 circa 90%. Zahlreiche Investoren haben dadurch viel Geld verloren und in Folge der schlechten Erlebnisse bis heute nie mehr in Aktien investiert.

Aufklärung / Mein Rat: Viele Anleger haben negative Erfahrungen mit T-Aktien-Investments gemacht, weil sie als Börseneinsteiger zu wenig Aktienwissen verfügten und so schwerwiegende Fehler begangen haben (zu teuer gekauft, nur auf diese eine Aktie gesetzt, zu spät ausgestiegen etc.). Fehler, die mit einem gewissen Börsengrundwissen (wie es etwa mein Anfängerkurs kompakt bietet) leicht vermeidbar gewesen wären.

2. Angst aufgrund starker Kursverluste vergangener Börsencrashs:

In den letzten 20 Jahren passierten 2 große Abstürze am Gesamtmarkt (Platzen der Dotcomblase in 2000 und die Finanzkrise 2008). Einige denken, dass sich aufgrund solcher Crash-Phasen die Aktienanlage unterm Strich gar nicht lohnt. Manche haben auch einen Crash als Aktieninvestor miterlebt, sind währenddessen komplett ausgestiegen und investieren jetzt nicht mehr an der Börse, weil sie Angst vor neuen Crashs haben.

Aufklärung / Mein Rat: Kein Mensch weiß wann der nächste große Crash kommt. Aber selbst wenn man als Anleger einen Crash mitmacht, vergessen Viele die langfristige positive Kursentwicklung der Börsen (siehe hier Chart-Bild). Die hat nämlich gezeigt, dass jeder bisherige Crash irgendwann überstanden war und oftmals starke Kurserholungen die Folge waren. Früher oder später wurden dann trotz zurückliegender Crashs neue Rekordstände erreicht.

Der DAX ist beispielsweise in den letzten 30 Jahren um starke +676% gestiegen (von 2.142 auf 16.617 Punkte; Stand vom 9. Januar 2024), obwohl es in dieser Zeit unter anderem die beiden genannten großen Kursabstürze gegeben hat.

Artikel-Tipp: Wo kaufe ich Aktien? Mein Depot-Tipp für Einsteiger

3. Geschehnisse rund um die Finanzkrise 2008:

Die Finanzkrise wurde ausgelöst durch die Immobilienkrise in 2007. Der Grund waren insbesondere ausufernde Derivate-Spekulationen mit risikobehafteten Hypotheken (hier mehr Infos zu den Hintergründen der Finanzkrise). Durch diese Krise hat der Ruf des Finanzbereichs im Allgemeinen schweren Schaden genommen und dadurch auch indirekt Investments wie die Aktienanlage.

Aufklärung / Mein Rat: Die Ursachen und Folgen der Finanzkrise haben kaum etwas mit normalen Aktieninvestments zu tun. Daher macht es wenig Sinn, wegen den Geschehnissen rund um die Finanzkrise den Kauf von Aktien kategorisch abzulehnen.

Ganz anders sieht es bei derivativen Finanzinstrumenten aus, die eine große Rolle in der Finanzkrise gespielt haben. Diese oftmals komplizierten Finanzprodukte sollte man am besten größtenteils meiden (mehr dazu im nächsten Punkt).

4. Schlechte Erfahrungen an der Börse durch den Handel mit gefährlichen Finanzwerten:

Nicht wenige Einsteiger handeln sofort mit besonders riskanten Aktien (Beispiele) oder Derivaten (Erklärung), verlieren so eine Menge Geld und bleiben dann für immer der Börse fern.

Aufklärung / Mein Rat: Von Finanzprodukten mit hohem Verlustrisiko sollte man unbedingt die Finger lassen, vor allem als Anfänger (auch wenn hohe Gewinnchancen locken). Nur wenige Börsenprofis sind hiermit auf Dauer erfolgreich. Es ist viel Wissen und Erfahrung nötig, um in diesem Bereich eine wirkliche Chance zu haben.

Stattdessen empfehle ich, auf sicherere Börsenwerte mit deutlich weniger Risiko zu setzen. Hier sind zwar in der Regel keine schnellen Riesengewinne möglich, aber dafür ist auch die Verlustgefahr viel überschaubarer. Damit meine ich insbesondere ausgewählte sicherere Qualitätsaktien und/oder Indexfonds (ETFs), die vor allem langfristig attraktive Renditen abwerfen können.

5. Allgemeiner Ruf der Börse als Casino bzw. riskante Spielwiese für Zocker:

Wie bereits im Punkt zuvor angesprochen, gibt es an der Börse zahlreiche gefährliche Finanzprodukte, wo man schnell viel Geld verlieren kann (sogenannte Derivate wie etwa CFDs, Forex, Hebelzertifikate und Optionsscheine).

Die hohen Gewinnchancen in diesem „Zocker-Bereich“ locken viele Anleger an. Verstärkt wird das Ganze durch unzählige Lockangebote im Web, die zum Trading animieren. Hieran verdienen aber vor allem die Broker (Gebühren!) und die Anbieter irgendwelcher ominöser „Wunder-Trading-Systeme“ (hier ein Werbe-Beispiel).

Auch unter den normalen Aktien gibt es hochriskante Werte, insbesondere die sogenannte Pennystocks (was ist das?), mit denen man sich ganz schnell die Finger verbrennen kann.

Dieser „Zocker-Bereich“ schadet jedenfalls indirekt auch dem allgemeinen Ruf der Börse. Manche denken deshalb, dass alles an der Börse eine hochriskante Zockerei ist.

Aufklärung / Mein Rat: Viele wissen nicht, dass man auch sinnvoll und vernünftig mit überschaubarem Risiko an der Börse investieren kann. Etwa in die im Punkt zuvor genannten Qualitätsaktien und ETFs (hier mein 15-Schritte-ETF-Kurs), die ein deutlich geringeres Verlustrisiko haben im Vergleich zu Derivaten und Pennystock-Aktien.

6. Viele halten Aktien schon deshalb für schlecht, weil diese Form der Geldanlage nicht sicher ist und man damit Geld verlieren kann:

Zahlreiche Deutsche sind nicht bereit, das grundsätzliche Risiko von Kurs- und damit einhergehenden Wertverlusten an der Börse zu akzeptieren und parken stattdessen (fast) das ganze Geld auf einem Konto.

Aufklärung / Mein Rat: Das ist in meinen Augen unvernünftig und nicht wirklich nahvollziehbar. Und zwar vor allem aufgrund dieser beiden Argumente:

Argument 1: Falsche Annahme, dass Geld auf dem Konto auf Dauer sehr sicher ist: Viele Sparer sind sich nicht im Klaren, dass das gesparte Geld durch die Inflation in vielen Jahren womöglich deutlich weniger Wert ist.

Schon die Preisentwicklung der Vergangenheit hat gezeigt, dass sich der Wert des Geldes immer weiter mindert. Vieles hat vor circa 15 bis 20 Jahren noch die Hälfte gekostet im Vergleich zum heutigen Preis. Vermeintlich sicheres Geldparken auf einem Konto ist also durch die hohe Gefahr des Werteverlusts auf lange Sicht viel riskanter als zahlreichen Anlegern bewusst zu sein scheint (insbesondere aufgrund der aktuell extrem niedrigen Zinsen!).

Argument 2: Es ist unverständlich, dass Viele beim Geld null Risiko eingehen wollen. Schließlich gehen die Menschen auch in anderen Lebensbereichen ein nicht unerhebliches Risiko ein. Das gilt etwa beim Autofahren: Jeder weiß, dass jedes Jahr Tausende Autounfälle passieren und fahren trotzdem Auto. Klar, für die meisten ist das Auto unverzichtbar (Weg zur Arbeit etc.). Aber unter Umständen gäbe es für manche ungefährlichere Alternativen, zum Beispiel Bahnfahren. Und manche Autofahrten müssen nicht unbedingt sein.

Was ich damit sagen will: Über das erhöhte Unfallrisiko beim Autofahren wird oftmals nicht nachgedacht. Dabei kann Autofahren sogar tödlich enden, wohingegen man an der Börse sein Leben nicht aufs Spiel setzt, sondern nur Geld. Überängstliche Anleger sollte ihre Einstellung mal aus dieser Sichtweise betrachten.

7. Auf zahlreiche Otto-Normal-Anleger wirkt die Börse zu kompliziert und zu aufwändig:

Viele Fachbegriffe und ein riesiges Angebot an Finanzprodukten erwecken oftmals den Eindruck, dass erfolgreiche Börseninvestments nur für erfahrene Profis möglich sind.

Viele denken, dass man für eine lohnenswerte Geldanlage in Aktien zwingend viel Wissen braucht und dass man regelmäßig viel Zeit investieren muss (ständig Aktien analysieren, Kurse beobachten, viel handeln etc.).

Aufklärung / Mein Rat: Man muss nicht unzählige Bücher lesen, damit man an der Börse erfolgreich sein kann. Man muss bei Weitem nicht alles verstehen. Es ist auch nicht unbedingt nötig, ständig Wertpapiere zu kaufen und wieder zu verkaufen (das Gegenteil ist der Fall, siehe mein Artikel Langfristig statt kurzfristig anlegen).

Vor allem mit einem Anlage-Fokus auf Indexfonds bzw. ETFs ist weder viel Wissen noch Zeit erforderlich, um sinnvoll an der Börse Geld anzulegen (mehr Infos: Mein ETF-Ratgeber… oder noch besser: Mein 15-Schritte-ETF-Kurs für Anfänger).

Aber Achtung: Ein gewisses Mindestmaß an Börsengrundwissen sollte man sich aber ebenso bei einer ETF-Strategie auf jeden Fall aneignen, finde ich (mit meinem 7-teiligen Einsteiger-Kurs kann man beispielsweise einfach Schritt für Schritt Börsengrundlagen lernen, die für jeden Aktien- bzw. ETF-Anleger sinnvoll sind).

Auch bei einem Buy-and-Hold-Investmentansatz mit langfristig aussichtsreichen Einzelaktien muss man kaum Zeit investieren und es ist hier weniger Wissen nötig als mancher meinen mag. Voraussetzung ist aber, dass man eine gute Langfrist-Strategie hat.

Tipp: Meine einfache Aktienstrategie für langfristig orientierte Anleger, die ich selbst entwickelt habe, stelle ich in einem Buch vor. Das Buch heißt „Wie man in 12 Schritten die sichersten Top-Aktien findet“ (hier mehr Infos).

8. Einige haben schlechte Erfahrungen mit der Geldanlage-Beratung von Bankberatern gemacht:

Beispielsweise durch Fonds mit hohen Gebühren, die sich schwach entwickelt haben. Oder durch Anleihen, die angeblich als sehr sicher galten und dann wertlos wurden (Beispiel: Lehmann-Brothers-Anleihen während der Finanzkrise).

Aufgrund solcher enttäuschenden Investment-Erlebnisse haben viele dieser Kleinanleger der Börse den Rücken zugekehrt.

Aufklärung / Mein Rat: Von schlechten Erfahrungen mit Kapitalanlage-Empfehlungen von Bankberatern sollte man sich nicht entmutigen lassen. Die meisten Banken sind nicht unabhängig und raten demzufolge vor allem zum Kauf von Finanzprodukten, die für sie viel Provision abwerfen (hier mehr Infos). Daher sollte man die Geldanlage am besten in die eigene Hand nehmen, oder wenn man Hilfe benötigt, nach einem unabhängigen und vertrauenswürdigen Investment-Tippgeber suchen (hier eine Empfehlung von mir).

9. Manche denken, dass Börseninvestments nur etwas für reiche Menschen sind:

Ja, es gibt tatsächlich noch Leute, die glauben, man brauche viel Geld um sinnvoll am Börsenmarkt investieren zu können. Das habe ich selbst kürzlich erst wieder bei einem Gespräch mitbekommen.

Aufklärung / Mein Rat: Das ist völliger Quatsch, bereits mit kleinen regelmäßigen Summen kann man eine vernünftige Aktien-Geldanlage aufbauen. Mit Hilfe eines sogenannten Wertpapier-Sparplans (was ist das?) ist es möglich, sogar ab einem monatlichen Sparbetrag von 25 Euro (!)Geld an der Börse anzulegen.

Fazit: Aktien sind nicht böse und auch nicht nur für Profis geeignet!

Wer bisher skeptisch gegenüber der Börse eingestellt war, ist hoffentlich nach dem Lesen dieses Artikels Aktien gegenüber etwas aufgeschlossener und interessierter. In diesem Fall würde ich mich sehr freuen, wenn ihr der Aktienanlage eine Chance gebt und mehr erfahren wollt.

Gerne könnt ihr dazu tiefer in meine Webseite für Börseneinsteiger eintauchen oder alternativ ein gutes Börsenbuch lesen (oder beides). Eine Übersicht meiner Börsengrundlagen-Artikel findet ihr hier und ein paar empfehlenswerte Aktienbuch-Tipps habe ich hier aufgelistet.

Ich glaube mit ein bisschen Einsatz, Willen und Interesse für die Börse kann es jeder schaffen eine vernünftige Geldanlage mit Aktien auf die Beine zu stellen, auch mit relativ geringem Aufwand und begrenzten finanziellen Mitteln. Ich zeige auf meiner Webseite verschiedene Möglichkeiten auf (zum Beispiel hier: Welche Aktien kaufen?).

Zum Abschluss noch eine Bitte: Ich würde mich unheimlich freuen wenn ihr diesen Artikel an Freunde bzw. Bekannte weiterleitet, die (ebenfalls) misstrauisch gegenüber Aktien sind bzw. ungerechtfertigter Weise eine falsche Einstellung haben zur Börse haben. Vielleicht ist es so möglich, dass diese Leute ihre schlechte Meinung zur Aktienanlage überdenken und eventuell ändern.


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